Veintiuno

Änderungsantrag A43B53-07456C

Zur Erweiterung des Abschnitts 43 für Baustein 53 meldete sich Webdesigner Hans Hohnholm bei der Antragsstelle für Abschnittsänderungen, Bereich Bausteine 40 bis 60.

In den zwei vorausgegangenen Gesprächen mit einem Mitarbeiter der Antragsstelle konnte der heutige Änderungstermin festgelegt werden. Aufgrund dringenderer Angelegenheiten waren zwischen dem ersten und dem aktuellen Gespräch bereits zwei Monate und 16 Tage vergangen. Dennoch beglückwünschten sich Hohnholm und der Antragsstellenmitarbeiter, Herr Buch, für ihre geglückte Zusammenarbeit. Andere Angelegenheiten nahmen problemlos viele Monate – wenn nicht Jahre – in Anspruch. Trotzdem ließ es sich der Webdesigner nicht nehmen, die Gründe der Verschiebung zu erfragen.

„Nun“, antwortete Buch, „In Ausnahmefällen muss schrecklich schnell etwas passieren. Das ist vor allem dann der Fall, wenn juristische Gründe eine Änderung nötig machen. Sie kennen sicherlich Baustein 5, oder?“

„Baustein 5 … Muss kurz nachdenken … Sicher! Das Impressum!“

„Richtig, richtig. Das Impressum. Wir mussten es wegen des Umzugs einer Unternehmenstocher möglichst schnell ändern. Natürlich hätte man auch einfach früher auf uns zukommen können, aber offenbar wurde an anderer Stelle geschlampt. Deshalb haben wir die Aktion innerhalb von zwei Wochen durch alle Instanzen gejagt“

„Nicht einfach …“

„Sie sagen es. Nur ein Vorgespräch mit Ihrem Kollegen Brach, dann mussten wir die vorgesehenen Änderungen in Eilform genehmigen lassen. Sie wissen ja, wie das sonst abläuft: Vorgespräche, Änderungsbesprechungen, Dokumentation der Vorgänge für eine lückenlose Nachvollziehbarkeit, Prüfung durch neutrale Vermittler. Dann noch oft weitere Anpassungen, die sich im Verlauf ergeben haben. Und das muss auch dokumentiert und notariell begleitet werden.

Das fällt in einem dringenden Fall größtenteils weg. Neben der üblichen drei Bereichsmitarbeiter, einem Oberbereichsleiter und einem Bereichschef, müssen auch der nach Argentinien ausgewanderte Firmengründer Corrado Sañchez und dessen engster Vertrauter, Alyas Sindh, unterschreiben“

„Unglaublich“

„Nun ist es so, dass erschwerende Bedingungen dazukommen. Herr Sañchez liegt seit zwei Jahren im Koma. Sie wissen sicherlich davon? Das ist neben den offenkundigen Problemen auch schlecht für die formalen Angelegenheiten. Allerdings haben wir gerichtlich durchsetzen können, dass Alyas Sindh die Unterschrift erzeugen darf“

„Wie das denn?“

„Nun, das ist eigentlich ganz einfach. Da nur Herr Sañchez in persona unterschreiben darf, legt Alyas ihm einen Stift in die Hand und bewegt ihn so auf dem zu unterzeichnenden Papier, dass eine Unterschrift entsteht“

„Äm … Aha. Na solange das alles rechtens ist …“

„Alles rechtlich einwandfrei. Der oberste Gerichtshof von Nicaragua hat dieser Vorgehensweise vorbehaltlos zugestimmt“

Hohnholm schaute etwas irritiert, wollte aber keine weiteren Antworten erfragen.

„Wie auch immer, Herr Hohnholm. Tragischerweise ist Herr Sindh, der nun auch schon 83 Jahre alt ist, vor einigen Wochen schwer gestürzt und liegt nun ebenfalls im Koma. Das ist natürlich im Sinne einer regelkonformen Unterschrift problematisch“

Hohnholms Gesicht verdunkelte sich vor Missfallen. Buch schien davon unbeeindruckt.

„Nun, wir mussten Tatsachen schaffen. Zu unserem Glück war es uns möglich, Herrn Sindh aus London nach Argentinien zu Herrn Sañchez zu fliegen“

„Sicher …“ Hohnholm ließ seinen Kopf in seine rechte Hand fallen und schaute für einige Momente mit glasigen Augen aus dem Fenster.

„Herr Hohnholm?“, fragte Buch, der seinem Blick folgte, „Was sehen Sie da? Ich kann nichts erkennen …“

„Der Himmel ist blau“

„Das ist er. Nun: Wir holten also Herrn Sindh herüber … Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für ein Aufwand war! Die ganzen Geräte, das richtige Flugzeug, das Personal für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung …“

„Unglaublich“, murmelte Hohnholm und schaute weiter mit starrem Blick aus dem Fenster.

„Sie sagen es! Aber letztlich haben wir das Unmögliche möglich gemacht. Sañchez und Sindh lagen beieinander. Ein Mitarbeiter nahm Sindhs linke Hand, um damit Herrn Sañchez‘ Hand mit dem Stift so zu bewegen, dass eine gültige Unterschrift für das Unternehmen „Impressum“ erreicht werden konnte“

„Na Glückwunsch für diese Leistung. Da bin ich froh, dass wir für die anstehende Änderung nichts in der Art machen müssen“

„In der Tat. Wenn alles wie gehabt läuft, wird unsere Arbeit in wenigen Monaten abgeschlossen sein und die Änderung kann zu aller Zufriedenheit umgesetzt werden. Und da wir gerade dabei sind: Was soll denn geändert werden?“

„Ach, auf der Firmen-Homepage im Bereich 53 haben sich ein paar Rechtschreibfehler eingeschlichen, die uns ein Bewerber freundlicherweise genannt hat“

„Bewerber? Wofür steht Bereich 53 nochmal?“

„Bereich 53 besteht hauptsächlich aus den Stellenanzeigen“

„Ach so! Natürlich! Das hätte ich wissen sollen. Und wurde der Mann eingestellt?“

„Ich glaube kaum. Die ausgeschriebene Stelle ist seit einem halben Jahr besetzt“

„Oh, das sollte man dann wohl ändern“

„Ist schon beauftragt. Ihr Kollege meinte beim letzten Gespräch, die Löschung der betreffenden Zeile könnte noch in diesem Jahr vorgenommen werden, wenn nichts dazwischen kommt“

„Ausgezeichnet!“

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