Veintiuno

Die Wahrheit über Fischstäbchen

Da braten sie, die Fischstäbchen. Nur vier Minuten sollen sie auf jeder Seite liegen und schon sind sie gar. Zumindest steht das auf der Verpackung.

Aber die Wirklichkeit ist weit entfernt von dem, was uns weis gemacht wird. Neueste Untersuchungen haben ergeben, dass es mit dieser Aussage nicht weit her ist. Dazu Professor Zweifarb:

“Wir ähem… haben in zahlreichen – ich möchte fast sagen vielen – Tests in der Praxis herausgefunden, dass der Zeitraum, den besagte Fischstäbchen brauchen, um gar zu werden, weitaus länger ist als bisher angenommen. Es stellen sich von Marke zu Marke sogar dramatische Unterschiede ein. Ganze Minuten verstreichen zusätzlich, bis das Produkt tatsächlich seinen erwünschten Zustand erreicht. Wir müssen die Bevölkerung auf diesen Missstand hinweisen und haben aus diesem Grund die Aktion “Aufklärung über die viel länger zu bratenden Fischstäbchen” in die Welt gerufen und hoffen, in den Aufklärungsreisen durch ganz Deutschland die Menschen auf die Risiken und Auswege aus dieser unannehmbaren Krise hinzuweisen. Gerade ich als Wissenschaftler fühle mich verantwortlich, die Menschheit, beginnend in meinem eigenen Land, zu heilen. Keine halbfertige Gräte soll es in den Hals eines armen kleinen Jungen schaffen, niemand soll sich über rohes Fischfleisch aufregen müssen. Wir haben so schon genug zu leiden. Dem muss ein Ende gesetzt werden. Und ich fange an – mit der Aufklärung über zu kurze Fischstäbchenbratzeiten! Außerdem komme ich seit langem mal wieder aus diesem Labor heraus. Ich bin ja so einsam…“

Nach einer kurzen Pause fährt er fort:

”Außerdem können sie auf unserer Homepage, die gerade unten eingeblendet wird, einen Fragebogen ausfüllen, mit dessen Hilfe sie erkennen können, wie gefährdet sie sind, Opfer der zu kurz bratenden Fischstäbchen zu werden. Oder besuchen Sie unsere Selbsthilfegruppe, die bereits viele tausend Menschen in Anspruch nehmen”

Der Professor hält ein Blatt in die Luft. Auf ihm ist eine Adresse – vermutlich der Hauptsitz der Gruppe – und ein Plan vermerkt:

{=html} </p> Hier finden Sie uns:

{=html} </p> Iglostraße 34

1857298 Klein Unteroberbergdorfhausen

{=html} </p> Die Themen der nächsten Woche:

{=html} </p> - {=html} </p> Montag: Der Fischstab – ein seltenes Unterwassertier

  • {=html} </p> Dienstag: Mein Leben – mein Fischstäbchen – eine Philosophie

  • {=html} </p> Mittwoch: Kochkurs: die Kunst der Fischstäbchenbraterei

  • {=html} </p> Donnerstag: Genialer Geschäftsmann oder Fischstäbchenquäler: Käpt’n Iglo

  • {=html} </p> Freitag: Fischstäbchen und Kleidung = Fishbone?

  • {=html} </p> Samstag: Fischstäbchenvielfalt in der Küche: püriert, geschlagen, gehackt, gekocht, gegrillt, fritiert, zerstampft und gegessen

  • {=html} </p> Sonntag: 10.00 Uhr: Kirchengang in die Käpt’n Iglo Kirche; Pater Nordsee erzählt von der Zähmung des wilden Fischstäbchens an der australischen Küste vor zwanzig Jahren durch den ehrwürdigen Käpt’n.

{=html} </p> Teilnahme an den Veranstaltungen ist natürlich kostenlos.

{=html} </p> Es muss erst danach ein variabler Betrag gezahlt werden, der vor Ort durch den anwesenden Pater festgelegt und durch einen Anruf beim ehrwürdigen Käpt’n verifiziert wird. Jeder Teilnehmer, ausgenommen des Paters, darf freiwillig den genannten Preis bezahlen – und wenn er wünscht sogar mehr zahlen; jedoch nicht weniger. Besitzer der Iglo-Card bezahlen nur die Hälfte.

{=html} </p>

Der Professor nimmt das Blatt wieder herunter. Er schwitzt, holt ein Taschentuch hervor und versucht das Triefen zu unterbinden. Seine Augen strahlen Rastlosigkeit aus. Wahrscheinlich ist die Pistole in seinem Rücken daran schuld. Man hört Getuschel hinter dem Professor, der daraufhin erneut zu reden beginnt:

”Ähäm … Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen einen … schönen Tag und hoffe, dass wir uns wiedersehen – auf meiner … wundervollen, … aufklärungsreichen … Tour. Bis dann”

Doch als der Professor seine Tour beginnen sollte, verschwand er mit einem Mal. Die Klatschpresse mutmaßte, dass er ein geheimes Unsichtbarkeitsserum gefunden habe, aber einige wussten genau, dass er der durchtriebenen Iglo-Organisation in die Hände gefallen und in Ungnade gefallen war. Was sie mit ihm gemacht haben ist nicht bekannt. Es wird jedoch gemunkelt, dass er dem Riesenfischstäbchen, das Käpt’n Iglo in seinem Privatpool hält, zum Fraß vorgeworfen wurde …