Veintiuno

Kafka: Amerika oder der Verschollene

Karl Roßmann muss weg aus Deutschland. Trotz seines geringen Alters (17) wird er per Schiff gen Amerika geschickt.

Durch eine glückliche Fügung des Schicksals trifft er noch an Bord auf einen Onkel aus New York, der dort Senator und erfolgreicher Geschäftmann ist. Dieser nimmt ihn bei sich auf und verschafft ihm Englisch- und Reitstunden. Man erahnt: Wenn die Dinge so weitergehen, wird Karl sich kaum Sorgen um seine Zukunft machen müssen.

Ein Hauch von Eigenwilligkeit wird jedoch zum Verhängnis. Karl möchte gegen den Willen des Onkels bei einem Geschäftsfreund übernachten. Der Onkel duldet dies scheinbar erst, macht mit einem nach Mitternacht zu übergebenden Brief deutlich, dass er keinerlei Eigenwilligkeit duldet und nichts mehr mit Karl zu tun haben möchte.

Das erscheint umso tragischer als Karl sich bei dem Geschäftsfreund sehr unwohl fühlt, von dem dunklen Haus und der Tochter wenig begeistert ist und eigentlich nur zurück möchte. Nun muss er dennoch losziehen und sehen, wo er bleibt.

Bald trifft er zwei Männer, Delamarche und Robinson, denen er sich zeitweise anschließt. Karls Mangel an Erfahrung, seine Naivität und Höflichkeit hindern ihn lange daran, das Wesen dieser Männer zu durchschauen. Während sie sich als Gönner in Szene setzen, lassen sie keine Gelegenheit aus, von seinem Geld zu zehren, aus seinem Gepäck zu nehmen und letztlich in seiner Abwesenheit seinen Koffer aufzubrechen.

Letztlich sieht Karl seine Fehleinschätzung ein, setzt sich ab und arbeitet in einem monströsen Hotel als Liftboy. Auch hier ergibt sich die neue Chance durch einen Zufall. Karl trifft im Gewimmel auf die Oberköchin, die unerwartet eine Schwäche für Karl hat und ihm den Job verschafft.

Auch hier entwickelt sich anfangs alles positiv. Karl lässt sich nichts zu Schulden kommen, hilft, wo er kann und nutzt seine freie Zeit zum Lernen. Aber auch diesmal lässt eine Kleinigkeit alle Zuversicht schwinden. Einer der Männer, mit denen Karl sich abgegeben hatte, kommt betrunken ins Hotel, belästigt Karl und trinkt dabei noch weiter bis er sich übergeben muss und nicht mehr in der Lage ist, sich allein zu bewegen.

Karl bringt ihn vorerst in das Schlafzimmer der Liftboys, um ihm Zeit zu geben, sich auszunüchtern. In der Zwischenzeit gilt Karl streng formal gesehen als nicht abgemeldet und übergeht damit die Autorität des Oberportiers. Neben der nichtigen Verstöße, die er durch sein Verhalten begeht, ist es wohl das eigentliche Problem. Karl wird, gegen jede Vernunft, sofort gekündigt und kommt nur mit Not vom Oberportier los, der eine fast sadistische Freude daran hat, Karl kräftig büßen zu lassen.

Daraufhin findet er sich erneut in den Fängen von Delamarche und Robinson wieder, die in einer Wohnung mit einer Opernsängerin wohnen. Es steht zu vermuten, dass Delamarche von ihrem Wohlwollen abhängt und dafür ihre Zahlreichen Launen auffängt. Eine Nacht muss er dort bleiben und flieht schließlich, um in einem Theater in Oklahoma eine Stellung zu bekommen.

Etwa ab dieser Stelle zeigen sich Auflösungserscheinungen in der Geschichte. Zwar zeigt sich wieder ein Silberstreif am Horizont, die abgesicherte Stellung in einem großen Theater, aber das Drumherum von trompetenden Engeln, riesiger Verwaltung und ungenauer Beschreibung der sonstigen Verhältnisse, erwecken den Eindruck, dass Kafka keinen ordentlichen Zugang zur Geschichte finden konnte.

Die Geschichte endet an dieser Stelle unvollendet und man kann nur spekulieren, wie es hätte weitergehen können. Wenn man den Tagebucheinträgen zum Thema trauen kann, so würde zum Schluss wie beim Prozess nur der Tod auf Karl warten.

Wie schon in anderen Werken bemüht sich der Protagonist nach bestem Gewissen darum, es allen möglichst recht zu machen, nur um dabei auf ganzer Linie zu scheitern. Während das in Der Prozess und Das Schloss schon abwegig, aber noch nachvollziehbar erscheint, ist es bei diesem Werk schon fast schmerzhaft ungerecht.

Dementsprechend kann ich nur empfehlen, das Buch dann zu lesen, wenn man gerade in psychisch guter Verfassung ist, um nicht deprimiert zu werden.