Veintiuno

Karel Čapek: Der Krieg mit den Molchen

Vor ein paar Wochen fand ich eine unauffällige Mail in meinem Postfach. Die Buchhandlung Geist in Bremen veranstaltet eine Lesung des Buchs Der Krieg mit den Molchen.

"Das ist doch dieses Buch, das ich längst gelesen habe und wofür ich eigentlich einen Text auf der Homepage veröffentlicht haben wollte!", kam mir sofort in den Sinn. Nun denn, die Vorlesung war gestern und es wird nun wirklich Zeit, ein paar Worte zu verlieren.

Kapitän Van Toch, erfahrener Seemann, findet auf der Suche nach neuen Quellen wertvoller Perlen eine Bucht mit außergewöhnlich begabten Molchen. Sie lernen einfrig und wären vielleicht schon längst deutlich bekannter. Die Population wurde durch Haie in der Gegend allerdings begrenzt.

Der Kapitän kann über eine Jugendbekanntschaft (Herr Bondy) erreichen, dass die Perlenfischerei mit Molchen kräftig durchstartet und schon bald sind Perlen nicht mehr viel Wert. Man beginnt, Molche für alle möglichen niederen Arbeiten einzusetzen. Gerade Dinge im und unter Wasser bieten sich an.

Nebenher wird klar, dass die Molche nicht nur in der Lage sind, sich ihre Feinde vom Hals zu halten, sondern auch Lesen, Schreiben und Sprechen lernen können. Ein Molch wird zur Attraktion im Londoner Zoo, andere werden für Experimente genutzt. Die Molchisierung der Gesellschaft schreitet voran. Es werden Stimmen laut, die Rechte für Molche einfordern: Sie mögen ein Anrecht auf Kleidung haben, sich dieser oder jener Bewegung anschließen, sich von der Sklaverei befreien, etc. Die Molche selbst haben zu diesen Vereinnamungsversuchen keine Meinung. Sie haben weder Gefühle noch politische Ansichten, sie benötigen keinen Luxus. Letztlich sind es "nur" Molche, wenn auch intelligente.

Wie der Titel des Buchs nahelegt, kann das kein gutes Ende nehmen. Wie es sich damit genau verhält, möchte ich an dieser Stelle aber nicht verraten, sondern anregen, dieses Buch einmal selbst in den Händen zu halten und die ungewöhnliche Kombination aus Text und Illustration von Hans Ticha mit eigenen Augen zu sehen. Ich kenne nur die Büchergilde-Edition, kann daher nicht beurteilen, ob Versionen bei z.B. amazon ebenfalls etwas taugen. Buchhandlungen, die mit der Büchergilde zusammenarbeiten, haben dieses Buch möglicherweise auch vorrätig oder können es bestellen.

Neben beißender Satire sind einige Stellen enthalten, die ein mulmiges Gefühl aufkommen lassen. Dieses Buch wurde vor dem zweiten Weltkrieg geschrieben und polemisiert nicht nur Dinge, die sich bald darauf als nur zu wahr herausstellen sollten, sondern ist im Grunde weiterhin aktuell. Kein Wunder also, dass es wegen Verunglimpfung der nordischen Rasse 1940 auf die Jahresliste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums geschafft hat.

Die Passage, die dazu geführt haben dürfte, war auch ein Highlight der Lesung in der Buchhandlung, zu der ich Anne mitnahm. Der Raum war mäßig gefüllt. Christoph Wehr von drama-TISCH führte uns stehend(!), gestikulierend und mit bildreicher Unterstützung durch 90 Minuten zu Leben gewordener Literatur. Besonders der Kapitän hinterließ (mitsamt holländischem Akzent) einen bleibenden Eindruck. Wie Wehr es schaffte, sich so selten im Text zu vertun, ist mir völlig unklar. Das muss wohl jahrelange Erfahrung sein.

Das Publikum hätte sich etwas mehr einbringen können. Ich bekenne mich auch schuldig, nicht verstanden zu haben, dass man an einigen Stellen hätte mitmachen können/sollen (vielleicht ein Tribut an den fortgeschrittenen Freitag). Zumindest an einer Stelle war das Publikum jedoch genötigt, etwas zu tun: Ein kleiner Schnipsel unverständlicher Schrift durfte zum besten gegeben werden. Anne durfte sich auch versuchen. Es wurde viel gelacht. Aus mir unbekannten Gründen verließen wir fast fluchtartig die Veranstaltung, dabei hätte man sich noch eine Weile austauschen können. Seltsam. Aber trotzdem ein gelungener Abend.