Veintiuno

Ottessa Moshfegh: My Year of Rest and Relaxation (en)

Die Protagonistin ist jung und gutaussehend, lebt im Jahr 2000 und hat keinerlei finanzielle Probleme. Trotzdem fehlt ihr etwas ... Etwas wichtiges.

Ihr kommt die Idee, für ein Jahr "Ruhe und Entspannung" zur inneren Reinigung zu betreiben. Während man hier vielleicht an Strandurlaub, spirituelle Wanderungen oder exzessives Häkeln denken könnte, sollen Schlafmittel es richten.

Schnell findet sich eine willige Ärztin, die der angeblichen Schlaflosigkeit der Protagonistin entschieden entgegentritt und kein Mittel auslässt.

Die einzige Stimme, die gegen das Vorhaben angeht, ist die der langjährigen Freundin Reva. Sie ist zwar oberflächlich und materialistisch, aber trotzdem guten Willens, während die Protagonistin zwischen Herablassung und versteckter Verlustangst wechselt.

Neben der relativ ungewöhnlichen Geschichte gibt es viel Wortwitz zu verdauen. Oft schonungslos und kritisch, manchmal fast vernichtend. Nicht selten trotzdem humorvoll.


-- Spoilers ahead! --

Während das Vorhaben anfangs einfach nur skurril wirkt, wird langsam klar, warum die Protagonistin sich nach Selbsterneuerung sehnt.

Der Vater starb an Krebs, die Mutter wenig später an einer Überdosis Tabletten und Alkohol. Klar wird auch, dass das Verhältnis der Eltern zum Kind gestört war. Wenig Liebe, wenig Zutrauen.

Dazu noch eine toxische On-Off-Beziehung zum deutlich älteren, aber unreifen Travor, von dem sie lange nicht die Finger lassen kann.

Die Schlafmittel sollen es also richten. Anfangs läuft es ganz gut. Eine gewisse Routine stellt sich ein. Doch die Wirkung lässt nach. Es werden mehr und stärkere Pillen benötigt, bis schließlich nur noch Infermiterol etwas bringen.

Infermiterol gibt es im Buch, aber nicht in der Realität. Das Mittel sorgt für eine dreitägige Auszeit inklusive Gedächtnisverlust. Die Protagonistin kann nur anhand von Indizien darauf schließen, was passiert sein könnte.

Das ist einerseits unterhaltsam, andererseits aber auch schwer steuerbar.

Also entscheidet sie sich dafür, die Sache etwas kontrollierbarer zu machen. Das neue Leben soll endlich unbehindert das alte Leben ablösen.

Dafür lässt sie sich von einem früheren Galeriekollegen in ihrer Wohnung einsperren. Vorher muss noch alles Materialistische, das nicht zu Überleben gebraucht wird, raus. Reva bekommt einiges in die Hand gedrückt, vieles andere wird gespendet.

Infermiterol setzt sie regelmäßig außer Gefecht. Nach dem Aufwachen gibt's was zu essen und etwas Bewegung, dann wieder Schlaf.

Zumindest für die Protagonistin geht der Plan letztlich auf. Der Neubeginn ist wieder da, der Lebenshunger erwacht.

Tragischerweise hat Reva als Angestellte im World Trade Center 2001 weniger Glück.